Nachdem ich im letzten Blogpost über die Rettung eines 1-Zoll-MAZ Archivs geschrieben habe, hier nun quasi eine Fortsetzung:
Mit der Rettung des Archivs durch transferieren auf ein anderes Speichermedium ist es ja nicht getan. Schließlich macht das ganze ja nur Sinn, wenn es jemand sieht. Es muss also auch so aufbereitet werden, dass es „sendbar“ ist. Wie immer ist dafür weder Zeit noch Geld eingeplant, aber gut aussehen soll es trotzdem. Um diesen Schritt soll es im folgenden gehen:Leider hat altes Videomaterial selten eine Qualität, die uneingeschränkt sendbar ist. Das ist bei Material, das in erster oder zweiter Generation auf 1 Zoll C archiviert wurde, so wie im letzten Post beschrieben weniger ein Problem, aber leider ist das ja die Ausnahme. Meist ist das Material über x Generationen durch verschiedenste Formate gelaufen. Nicht immer waren die Bedingungen dabei optimal. Manches lag im Original mal auf Film vor, wurde unsauber geschnitten und geklebt, gefazt (auf Magnetband überspielt) usw..
Dazu kommt heutzutage noch die Problematik, des geometrischen Formatwechsels von 4:3 auf 16:9 hinzu. Da oft Letterbox-Balken, wie auch immer getarnt als störend empfunden werden, soll das Bild ggf. „aufgeblasen“ werden. Bei verrauschten alten Videobildern nicht unbedingt hilfreich.
Natürlich gibt es hervorragende Techniken und Spezialisten für die Restauration von alten film- und Videoaufnahmen, aber die sind recht teuer und aufwendig und kommen so wohl meist nur für annerkannte Kulturschätze in Frage. Meist ist grenzwertiges Material schon fest für eine Sendung eingeplant und erst der Cutter, der es einbauen soll schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, weil er weiß, dass so etwas in der technischen Abnahme der Sender hängen bleiben wird.
Mit diesen Problemen habe ich bei meiner Schnittätigkeit für die Oldieshow „Damals war´s“ eigentlich immer zu tun. Das Material kommt aus den verschiedensten Archiven, unterschiedlichen Jahrzehnten und in diesem Fall auch aus 2 unterschiedlichen Systemen (sowohl technisch als auch wirtschafts- und medienpolitisch). Tatsächlich ist besonders das Material aus der ehemaligen DDR meist technisch sehr minderwertig und fordert viel Fleißarbeit bei der Aufbereitung, aber auch im Westen wurde oft wenig rücksichtsvoll mit dem Videomaterial umgegangen.
Um in der vorgebenen Schnittzeit für die 90min Sendung das optisch bestmögliche Ergebnis herauszuholen habe ich mir folgende Arbeitsweise angewöhnt:
- Vorsichtung:
In einer ersten Sichtung, meist beim Capturen zum Avid werden hoffnungslose Fälle aussortiert. Solche müssen so früh wie möglich mit der Redaktion bzw. den Autoren besprochen werden, damit Alternativen gefunden werden können. Eventuell gibt es noch eine andere Archivquelle, oder es wird inhaltlich ersetzt. Natürlich kann es auch sein, dass der Inhalt so relevant ist, dass auf die schlechte Qualität keine Rücksicht genommen wird. - Fehleranalyse:
In einem zweiten Schritt beurteile ich die vorhandenen Fehler nach drei Gesichtspunkten:- Wie einfach kann ich die Fehler beheben oder vertuschen.
- Wie störend wirken Sie auf den Betrachter und
- sind die Fehler aus erster Generation, also typisch für die Technik der Zeit, aus der das Material stammt oder gehen sie darüber hinaus bzw. sind erst in späteren Kopiegenerationen entstanden.
Entsprechend setzte ich die Prioritäten bei der Aufbesserung um zeiteffektiv zu arbeiten. Unter Umständen können Fehler, die typisch für die Technik der entsprechenden Zeit waren, als Stilmittel unbearbeitet bleiben.
- Kaschieren durch Schnitt:
Nun geht es ans eliminieren der Fehler. Erstes Mittel ist der Schnitt. Oft ist es möglich durch einfache Schnitte besonders beschädigte Stellen einfach aus dem zu sendenden Ausschnitt zu entfernen. Das geht zum Beispiel oft gut bei extem auffälligen Filmklebestellen durch das herausschneiden weniger Frames oder bei anderen vereinzelten schwerwiegenden Beeinträchtigungen, durch einen Insertschnitt aus unverwendeten Footageteilen. - Tonwertangleichung:
Nun füge ich bereits die Farbkorrektur hinzu. Da die Farbkorrektur ein Echtzeiteffekt ist, stört sie bei den folgenden Schritten nicht. Andersherum könnte der nachfolgende Schritt, die Farbkorrektur unnötig komplizieren. dazu gleich mehr.
Farbkorrektur heißt in diesem fall in erster Linie Tonwertkorrektur. Aus Zeitgründen belasse ich es oft bei einer generellen Korrektur über alle Helligkeitsbereiche und alle Kanäle, obwohl die seperate Korrektur die perfektere Methode wäre. Aber wie gesagt: Für Kunst ist keine Zeit. Leider ist es oft so, dass starkes Rauschen in Kombination mit schlappen Videopegeln einhergeht. Versucht man nun, Schwarz- und Weißwert optimal einzustellen, also den Kontrast zu spreizen, verstärkt man auch das Rauschen. Das Bild wird dann optisch eher schlechter als besser. In so einem Fall ist Fingerspitzengefühl erforderlich um den richtigen Mittelweg zu finden und/oder durch seperates bearbeiten von Kanälen bzw. Bereichen das Rauschen möglichst wenig zu verstärken. Unter umständen kommt man nicht darum herum, vor der Farbkorrektur einen Rauschminderungsfilter anzuwenden.
- Scratch removal / Dropout removal:
Starke Dropouts und Reißen ziehen sich meist unregelmäßig durch das gesammte Material einer Quelle. Diese kann man am besten mit dem Effekt „Scratch Removal“ bearbeiten.
Um diesen effektiv einzusetzen reicht es allerdings nicht, ihn einfach auf den Clip zu ziehen und dann zu editieren, da er sich dann auf den gesammten Clip auswirken würde.
Wir brauchen ihn in der Regel nur für einen Frame. Daher habe ich den Effekt auf die Tastatur gemappt. Beim Aufruf über die Tastatur bzw. das Hamburgermenu fügt Avid nämlich selbstätig zwei edits in 2 frames Abstand ein und plaziert den Effekt in dem so entstandenen Clip. ist der Effekteditor geöffnet kann man filedweise diesen Clip durchgehen und das field mit dem Dropout bearbeiten. Dazu reicht es meist, mit dem Rechteck-Tool einen Rahmen über die betroffene Stelle zu ziehen.
Ein wichtiges Hilfsmittel für die Dropout-Korrektur sind auch die field-forward bzw. field-backwards Befehle, denn oft finden sich die Reißer oder Dropouts gerade auf dem field, das der AVID beim shuttlen und als Standbild nicht anzeigt. Diese Befehle sollte man sich am besten auch auf die Tastatur legen, wenn man öfters Dropouts bereinigen muss. Die Möglichkeiten mit dem „scratch removal“ tool sind sehr umfangreich und so kann man damit virtuous spielen, aber auch hier gilt: Nicht verzetteln. Dem scratch removal toll werde ich bei Zeiten ein eigens Tutorial widmen. - Rausch-Reduzierung:
Im standardmäßig letzten Arbeitsgang wende ich den Effekt „BCC_denoise“ an. Ich wende ihn als lezten an, da er sehr renderintensiv ist. Nach Ende meiner Schicht kann ich dann alle betroffenen Clips rendern lassen, was meist mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Um auch im Umgang mit diesem Effekt möglichst zeitsparend zu arbeiten, habe ich mir mit der Zeit eine Reihe von vorjustierten BCC_denoise Instanzen in einem Ordner abgelegt. Um im Zweifelsfalle entscheiden zu können, welches Template am besten geeignet ist, wähle ich ein in Farbe und Helligkeit typische Stelle im Clip, in der viel Bewegung ist und probiere die in Frage kommenden Templates am Standbild aus. Ich habe Templates in verschiedenen Stärken und für verschiedene Situationen. Welche, die eher für dunklere Bilder geeignet sind, und solche für hellere, speziele für alte sw. Fernsehaufnahmen und welche für eher statische Clips usw..
Bevor Restaurationsfachleute nun die Hände über dem Kopf zusammen schlagen sie noch mal erwähnt: Diese Aufbereitung erfolgt nur für die Sendung. Das Original ist auch zu schade für so eine Fast-Food Restauration. Allerdings wird man verstehen, dass ich dabei soviel Wert auf Zeiteffizienz lege, wenn man sich vor Augen führt, dass ein einzelner Musikclip von 1.30min. Sendelänge oft hunderte von Dropout- bzw. Reißen-Reperaturen enthält. Bei 90 min Sendelänge hat an also ganz gut damit zu tun. Eine Schicht/ein Schnitttag ist damit schnell verbracht.